Autor: Der Mann hinter dem Bericht
Schon am Eingang wird klar: Dies ist kein gewöhnlicher Ausflug. Ein roter Jeep samt Anhänger wartet darauf, die Besucher in die Tiefe der Erde zu bringen. „America’s Only Ride-Through Cave“ steht auf dem Schild. Anders als in den meisten Schauhöhlen muss hier niemand laufen, stattdessen geht es im Jeep-Anhänger bequem durch die Dunkelheit – ein Abenteuer für Familien, aber auch für Geschichtsinteressierte.
Die Geschichte der Fantastic Caverns beginnt 1862 – mitten im Bürgerkrieg. Damals schnüffelte ein Jagdhund von John Knox in ein Loch am Boden nahe Springfield. Neugierig folgte sein Besitzer dem Hinweis und fand einen schmalen Zugang, der sich bald als gewaltiges Höhlensystem entpuppte. Fünf Jahre später, 1867, wagte eine Gruppe von zwölf Frauen aus Springfield die erste dokumentierte Erkundung. Ihre Namen sind noch heute an den Höhlenwänden verewigt – ein frühes Zeugnis dafür, dass Abenteuerlust kein ausschließlich männliches Privileg war.
Die Fahrt in die Höhle gleicht einer Zeitreise. Tropfsteinsäulen, die sich seit Jahrtausenden bilden, wechseln sich ab mit Hallen, die so groß sind wie Kathedralen. Die Guides lenken die Aufmerksamkeit auf Formationen mit fantasievollen Namen: „Pipe Organ“, „Giant’s Foot“, „The Hall of Giants“. Die Temperatur liegt konstant bei rund 15 Grad Celsius – egal ob draußen Hochsommer oder Winter herrscht. Das macht die Caverns zu einem willkommenen Zufluchtsort, sowohl für Besucher als auch, wie die Geschichte zeigt, für Zeitgenossen in weniger legalen Angelegenheiten.
In den 1920er Jahren, während der Prohibition, erhielten die Fantastic Caverns eine ganz neue Rolle. Abseits neugieriger Blicke verwandelten sich die riesigen Hallen in einen geheimen Treffpunkt: eine Bar, eine Tanzfläche, ein Versteck. Jazzmusik hallte durch die unterirdischen Räume, Schnapsgläser klirrten – all das in einer Zeit, in der der Verkauf und Konsum von Alkohol in den USA streng verboten war. Die isolierte Lage und die natürliche Akustik machten die Höhle zum perfekten „Speakeasy“. Wer damals Einlass fand, war Teil eines exklusiven Kreises, der tief unter der Erde das Verbot ignorierte. Noch heute erzählen Guides mit einem Augenzwinkern von dieser Ära und lassen Besucher ein Stück der verborgenen Vergangenheit erahnen.
Nach dem Ende der Prohibition wandelte sich die Nutzung. In den 1950er- und 60er-Jahren dienten die Caverns sogar als Location für Country-Konzerte – die Bühne unter den Tropfsteinen war legendär. Heute steht das Naturerlebnis im Mittelpunkt. Pro Stunde rollen mehrere Trams in die Höhle, vollbesetzt mit Familien, Schulklassen oder Touristen aus aller Welt. Die Guides vermitteln Wissen über Geologie, Geschichte und Legenden – und schaffen eine Atmosphäre, die gleichermaßen staunend und unterhaltsam ist.