The Kelpies 

Bild von Michael Althoff

Michael Althoff

Autor: Der Mann hinter dem Bericht

schottische Mythologie trifft modernes Design

Wer sich auf eine Reise durch Schottland begibt, stößt unweigerlich auf eine Vielzahl mythischer Orte und Geschichten. Zwischen den rauen Highlands, den nebelverhangenen Lochs und den lebendigen Städten liegen Plätze, die Vergangenheit und Gegenwart, Legende und Moderne miteinander verweben. Einer dieser Orte sind die „The Kelpies“ – zwei monumentale Pferdeskulpturen aus Stahl, die sich nahe Falkirk in Zentralschottland erheben. Sie sind längst zu einem Wahrzeichen geworden, das weit über die Region hinaus strahlt und doch tief in der schottischen Kultur verwurzelt ist. Auf den ersten Blick wirken die beiden Pferdeköpfe, die jeweils 30 Meter in die Höhe ragen, wie eingefrorene Bewegungen. Das eine Pferd senkt den Kopf, als wolle es Wasser trinken, das andere schaut stolz und angespannt in die Ferne. Sie sind aus tausenden Edelstahlplatten zusammengesetzt, die im Sonnenlicht glänzen und bei Dämmerung eine fast überirdische Aura entfalten. In ihrer Materialität sind die Kelpies moderne Ingenieurskunst, in ihrer Symbolik jedoch greifen sie tief in die schottische Mythologie und Geschichte.

Der Name „Kelpie“ stammt aus alten Sagen. In der keltischen Folklore handelt es sich um Wassergeister, die oft die Gestalt von Pferden annehmen. Sie sollen Menschen in die Tiefe von Seen und Flüssen locken, ein Symbol für die ungezähmte Kraft und auch die Gefahr des Wassers. Diese Verbindung ist in einem Land, dessen Landschaft von Flüssen, Lochs und Küsten geprägt ist, nur allzu verständlich. Bildhauer Andy Scott, der Schöpfer der Kelpies, griff diese Legende auf und verband sie mit einer Hommage an die Arbeitspferde, die über Jahrhunderte die schottische Industrie geprägt hatten. Die Skulpturen sind also nicht nur mythisch, sondern auch industriell-historisch aufgeladen. Die Kelpies wurden 2014 im Rahmen des „Helix Park“-Projekts eröffnet, einer groß angelegten Landschaftsgestaltung, die Grünflächen, Radwege und Wasserwege miteinander verbindet. Der Standort ist nicht zufällig gewählt: Er liegt am Forth and Clyde Canal, einer wichtigen Wasserstraße, die seit dem 18. Jahrhundert Ost- und Westküste verbindet. Einst zogen schwere Zugpferde die Lastkähne durch die Kanäle – eine harte Arbeit, die für das wirtschaftliche Rückgrat Schottlands von unschätzbarem Wert war. Heute gleiten Ausflugsboote an den riesigen Pferdeköpfen vorbei, und Besucher aus aller Welt verweilen staunend unter den glänzenden Stahlplatten.

Tagsüber lassen sich die Details der Skulpturen aus nächster Nähe bestaunen, die verschraubten Metallplatten, die geschwungenen Linien, die geschickte Balance aus Wucht und Eleganz. Bei Nacht jedoch entfaltet sich ein anderes Schauspiel: Dann werden die Pferde von innen heraus illuminiert, in wechselnden Farben, sodass sie wie lebendige Fabelwesen wirken. Der Kontrast zwischen dem Dunkel des schottischen Himmels und den leuchtenden Köpfen schafft eine Atmosphäre, die gleichermaßen magisch wie futuristisch wirkt.

Das Besucherzentrum bietet Hintergrundinformationen zu Entstehung und Bau, Führungen ermöglichen sogar den Zugang ins Innere der Skulpturen.