Autor: Der Mann hinter dem Bericht
Kaum eine Region bietet auf engstem Raum eine so große Dichte ausgezeichneter Golfplätze wie Schottland. Das gilt auch für den Norden des Landes. Eine Rundreise im März 2016 führte uns auch in die Region Aberdeen. Hier stehen mindestens 3 Golfanlagen mit einem weit über die Grenzen Schottlands hinausgehenden Ruf zur Auswahl: der Royal Aberdeen Golf Club, der Cruden Bay Golf Club und der teils sehr kontrovers diskutierte Trump International Golf Links Scotland. Da die Zeit mal wieder sehr gegrenzt war, entschieden wir uns – nicht zuletzt aufgrund seiner großen Tradition – für Cruden Bay. Hier im Norden Schottlands ist es eher selten eine Frage, ob am Tag der Runde Wind weht – die Frage ist einzig, wie stark der Wind weht! Schon beim Treffen mit Club Captain Ron Amy, der uns nicht nur den gesamten Club zeigte, sondern sich freundlicherweise auch die Zeit nahm, mit auf die Runde zu gehen, machte es deutlich: der Buggie der Greenkeeper war rundum durch eine Regen- und Windhaube geschützt. Auf dem Platz selbst wird gelaufen, Gäste können gegen Gebühr Ziehtrolleys und E-Trolleys ausleihen. Und auch ohne Regen sind vor allem in der Nebensaison viele Golfer in Regenbekleidung unterwegs, da diese erfahrungsgemäß sehr gut vor Wind schützt.
Der Cruden Bay Golf Club ist ein klassischer Mitgliedsclub, dennoch werden hier pro Jahr gut 5.500 Greenfee-Runden absolviert. „Diese helfen uns auch, die Weiterentwicklung unserer Anlage zu finanzieren und Golf für die Einheimischen preiswert zu halten“, erläutert Amy im Gespräch. Und in der Tat: mit 650 Pfund (zuzüglich SGL-Gebühren) ist der Club gemessen an seiner Tradition und seinem Angebot fast schon ein Schnäppchen und deutlich günstiger als viele deutsche Clubs. Wer die Anlage häufiger spielen möchte, sollte daher eine Mitgliedschaft (eventuell auf die Overseas Mitgliedschaft, mit der man insgesamt 3 Wochen pro Jahr spielen kann) in Betracht ziehen. Cruden Bay blickt auf eine lange Tradition zurück. Schon 1791 gab es Nachweise einer 9-Loch-Anlage an gleicher Stelle. Der heutige Club hat seinen Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts, das Design stammt von keinem geringeren als Old Tom Morris, der von Archie Simpson unterstützt wurde. Damals gehörte der Club zum Cruden Bay Hotel, einem von den britischen Eisenbahnen errichteten Resort. 1926 wurde der Platz erneut von Simpson und Fowler überarbeitet, dennoch sind viele der ursprünglichen Bahnkonzepte und Grüns von Old Tom Morris weiterhin erhalten geblieben. Auch heute noch wird der Platz kontinuierlich weiterentwickelt. Besonders schön ist, dass dabei der Charme und die Authentizität dieses einzigartigen Links Courses nie verloren
Cruden Bay bietet einen 18-Loch-Championship-Platz (Herren: mindestens Handicap 28, Damen mindestens 36), in der Mitte des Championship-Platzes gibt es zudem einen weiteren 9-Loch-Platz, den St. Olaf’s Course. Der Championship Course weist eine Gesamtlänge von 6.287 Yards bei Par 70 auf – doch spielt sich manche Bahn je nach Wind deutlich länger! Leicht oberhalb der Anlage und direkt an den Ort Cruden Bay angrenzend empfängt das großzügige Clubhaus seine Besucher. Vom Restaurant aus hat man eine sehr gute Sicht auf die gesamte Anlage. Zur hinteren Seite wird die Anlage durch einen weitläufigen, breiten und wunderschönen Strand begrenzt. Dieser ist auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Wer nun in Gedanken schon seinen nächsten Strand-Golf-Kombi-Urlaub plant, sollte aber berücksichtigen, dass selbst im Sommer die Wassertemperaturen nur knapp zweistellig sind – wären sie höher, würden hier sicherlich längst typische Strandhotels die Landschaft verändern. Auch das einstige Cruden Bay Hotel hat seinen Betrieb längst eingestellt. Innerhalb des Ortes bietet beispielsweise das Kilmarnocks Arms Hotel ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (3-Sterne), wer mehr Komfort möchte, findet im gut 20 Minuten entfernten Aberdeen eine große Auswahl entsprechender Hotels.
Bahn 1 ist ein faires Eröffnungsloch – sofern man den Ball nicht als Hook spielt und damit die Out of Bounds-Grenze zur linken Seite überquert. Auch Bahn 2 ist sehr fair und ein vergleichsweise kurzes Par 4 mit leicht erhöhtem Grün. An der 3 bekommt man es mit einem typischen Designelement alter Linksplätze zu tun: blinden Teeshots. Die Bahn geht zum Grün hin leicht abwärts, bei trockenem Wetter kann man das Grün dieses Par 4s vom Tee angreifen – sofern man seinem Schlag die richtige Richtung mitgibt. Bahn 4 gilt als das Signature Hole. Das Par 3, quasi parallel zum Ort und Richtung Strand, bietet ein erhöhtes Grün, der Teeshot muss zudem ein kleines Tal voller Rough und Büsche überqueren. Dies, gepaart mit dem beinahe allgegenwärtigen Wind, macht die Spielbahn zu einem echten Tester für Golfer aller Spielstärken. Das folgende Par 4 an der 5 beginnt mit einem deutlich erhöhten Abschlag, der einen herrlichen Rundblick auf den Platz bietet. Gerade bei Gegenwind gilt jedoch: wer hier mit Par oder Bogey vom Grün geht, ist in der Regel mehr als zufrieden! Und auch das folgende Par 5 ist alles andere als einfach: vor dem Grün wartet ein Bach auf zu kurze Annäherungen, das Grün selbst ist leicht erhöht und nach links versetzt. Und an der 7 gilt es, seinen Teeshot möglichst Mitte Fairway zu platzieren und den Annäherungsschlag anschließend zwischen den Hügeln links und rechts des schmaler werdenden Fairways hinauf auf das Grün zu spielen. Up and down sind in Cruden Bay ein häufiges Designelement: einerseits erhöhte Abschläge in ein kleines Tal, aber dann wieder leicht erhöhte Grüns, die teils nur bedingt einsehbar sind – ein idealer Platz, um sein Course Management auf die Probe zu stellen. Den Abschluss der Front Nine bildet die höchst gelegene Bahn des gesamten Platzes.
Bahn 10 bietet einen weiteren, fantastischen Ausblick auf die Landschaft. Longhitter sollten an diesem Par 4 allerdings aufpassen, das ihr Abschlag nicht im Bach landet, der den Grünbereich vom restlichen Fairway trennt. Auch beim anschließenden Par 3 kommt der kleine Bach wieder ins Spiel. Wenn man auf der 12 Rückenwind hat, die Ausgrenze rechts sowie die Büsche links vermeidet, kann man das Par 4-Grün sogar vom Abschlag aus erreichen – aber wann hat man schon mal so viel Glück zusammen? Das nachfolgende Par 5 wird in der Mitte durch einen Bach geteilt, zudem ist das Grün nur bedingt einsehbar. Immerhin kann man meist wenigstens die Spitze der Fahne erkennen und zur Orientierung nutzen. Und auch an der folgenden Bahn ist das Grün für den zweiten Schlag nahezu unsichtbar, es wirkt wie eine kleine versunkene Insel. An Bahn 15, einem Par 3, nehmen die Herausforderungen keineswegs ab. Zunächst muss man sich vom herrlichen Blick von der Teebox auf den Strand und das Meer lösen – und dann darf man sich mit einem blinden Teeshot eines zusätzlich links durch einen Hügel geschützten langen Par 3s auseinandersetzen. Nun geht es weiter zurück Richtung Clubhaus, immer wieder warten spektakuläre Blicke über die gesamte Anlage, den Strand und das Meer auf den Golfer. An der 17 thront inmitten der Drivelandezone auf dem Fairway ein Hügel – hier sollte man daher links oder rechts vorbeispielen. Die 18 ist ein schönes und vergleichsweise einfaches Schlussloch – man sollte jedoch vom Tee die Ausgrenze links und den Bachlauf rechts vermeiden.
Cruden Bay gehört definitiv auf jeden Golf-Reiseplan in den Nordosten Schottlands. Hier wird deutlich, was Clubleben bedeutet, nach der Runde sollte man daher unbedingt noch die Gastronomie aufsuchen und anderen Golfern bei einem guten Single Malt zusehen. Die Freundlichkeit und Herzlichkeit aller Mitarbeiter, vom Sekretariat über die Gastronomie bis hin zum Proshop, haben uns sehr beeindruckt und Ron Amy war ein fantastischer Gastgeber. Für uns war es sicherlich nicht die letzte Runde auf diesem ursprünglichen Platz, der traditionelles Linksgolf vom Feinsten bietet – doch auf der nächsten Runde spielen sich die Bahnen aufgrund anderer Windbedingungen bestimmt wieder komplett anders, aber genau diese Herausforderung macht Links Golf zu interessant!