Autor: Der Mann hinter dem Bericht
Zwischen Joplin in Missouri und Afton in Oklahoma entfaltet sich auf einem vergleichsweise kurzen Abschnitt der Route 66 eine ganze Welt aus Nostalgie, Roadtrip-Romantik und eigenwilligen Begegnungen. Wer hier unterwegs ist, reist nicht nur durch drei Bundesstaaten – Missouri, Kansas und Oklahoma –, sondern auch durch unterschiedliche Zeitschichten einer Straße, die seit fast einem Jahrhundert als „Mother Road“ verehrt wird.
Schon kurz hinter Joplin nähert man sich der Grenze zwischen Missouri und Kansas, und ein paar Meilen weiter schließlich jener zwischen Missouri und Oklahoma. Diese Übergänge wirken unspektakulär, doch für viele Route-66-Pilger sind es symbolische Schwellen – jedes Schild, das einen neuen Bundesstaat ankündigt, ist ein Meilenstein im eigenen Reisetagebuch. In Kansas hat man die Chance, binnen kürzester Zeit den gesamten Streckenabschnitt der Route 66 in einem Bundesstaat abzufahren – denn dieser misst in Kansas gerade einmal rund 21 Kilometer. Das kleine Städtchen Galena in Kansas überrascht mit viel Charme und gleich zwei sehenswerten Stationen. Bei Cars on the Route steht der legendäre Abschleppwagen „Tow Mater“, der als Vorlage für den Charakter „Mater“ im Pixar-Film Cars diente. Besucher dürfen das Gefährt bestaunen, sich fotografieren lassen und eintauchen in eine bunte Mischung aus Filmgeschichte und Route-66-Nostalgie. Nur wenige Straßen weiter findet sich das skurrile Gearhead Curious, eine Mischung aus Antikladen, Kunstgalerie und Sammelsurium, das die typische Eigenart vieler 66-Orte verkörpert: Ein bisschen chaotisch, sehr persönlich, voller Geschichten mit riesigen Außenfiguren.
Hinter Galena spannt sich die Rainbow Bridge über den Brush Creek – eine elegante Betonbogenkonstruktion aus den 1920er Jahren. Sie ist die letzte ihrer Art auf der gesamten Route 66 und steht heute als stilles Monument für die Ingenieurskunst jener Ära. Wer hier über den Bogen fährt oder zu Fuß verweilt, spürt einen Hauch von Zeitreise. Weiter südlich, bereits in Miami (Oklahoma), lockt eine Mischung aus Kulinarik und Kultur. Waylan’s Hamburger Ku-Ku ist ein Fast-Food-Restaurant mit unverwechselbarer Kuckucksuhr-Fassade – eine Ikone der 60er Jahre. Drinnen gibt es klassische Burger, draußen einen Fotospot, der längst zum Pilgerort für Sammler von Route-66-Erinnerungen geworden ist. Wenige Straßenzüge entfernt erhebt sich das prachtvolle Coleman Theatre, ein spanisch-barockes Juwel von 1929. Sein goldverzierter Saal und die historische Mighty-Wurlitzer-Orgel machen deutlich, wie sehr sich die damalige Kleinstadt eine Bühne von Weltformat wünschte. Wer die Gelegenheit hat, hier an einer Aufführung teilzunehmen, sollte dies unbedingt nutzen. Der Bühnenvorgang erstreckt sich übrigens über fünf Stockwerke und hat einen Wert von rund 1,5 Millionen US-Dollar.
Auf der Weiterfahrt Richtung Afton wird die Landschaft weiter, die Prärie öffnet sich – und plötzlich stehen am Straßenrand Bisons. Mehrere Ranches in dieser Gegend halten die Tiere, die für viele Reisende Symbol einer ursprünglichen Weite sind. Das Auftauchen der massigen Gestalten, ob hinter Zäunen oder frei am Horizont, ist ein eindrucksvolles Erlebnis. In Afton schließlich wartet ein unscheinbarer, aber für viele Sammler faszinierender Stopp: Crosstar Flag and Tag, ein kleiner Laden, der neben Nummernschildern auch Erinnerungsstücke und Flaggen anbietet. Ein Ort, der den Geist der Mother Road in Form von greifbaren Souvenirs konserviert – bunt, vielfältig, manchmal kurios.
Dieser Abschnitt der Route 66 mag auf der Landkarte nur wenige Dutzend Meilen messen, doch er bündelt, was die „Straße der Straßen“ so einzigartig macht: das Nebeneinander von großer Geschichte und kleinen Anekdoten, von spektakulären Bauwerken und liebevoll gepflegten Originale. Wer hier unterwegs ist, versteht schnell, warum die Route 66 weit mehr ist als nur Asphalt – sie ist ein lebendiges Museum amerikanischer Kultur.