Kathedrale von Chartres

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Michael Althoff

Autor: Der Mann hinter dem Bericht

Kathedrale von Chartres

Die Kathedrale Notre-Dame von Chartres gilt als Urbild einer Kathedrale des französischen Gothique classique. Die Kathedrale ist der Sitz des Bischofs des römisch-katholischen Bistums Chartres. 876 weihte Karl der Kahle dort eine Kirche und übergab dem Sanktuarium eine heilige Reliquie, die als Sancta Camisia bezeichnete Tunika, die die Jungfrau Maria bei der Verheißung der Geburt Jesu durch den Erzengel Gabriel getragen haben soll. Heute ist in der Kathedrale ein ungefähr 30 × 30 cm großes Tuch dieser Tunika zu besichtigen. Der heutige gotische Neubau begann kurz nach 1194 und dauerte bis 1260 (offizielle Weihe am 24. Oktober 1260). Der Bau ist über 130 Meter lang und 64 Meter breit.

 

Chartres ist in mehrfacher Hinsicht einmalig. Die Kirche wirkt in der recht kleinen Stadt dominierend, ist in der flachen Landschaft schon von weitem zu erkennen und vermittelt ungefähr den Eindruck, den sie seit dem 13. Jahrhundert auf die Zeitgenossen ausübte, als solch ein Bauwerk wie ein überirdisch-göttliches Symbol in der profanen Umwelt stand. Chartres ist nie zerstört worden. Während an vielen Kathedralen die Portalfiguren im Bildersturm der Hugenotten oder der Französischen Revolution untergingen und zahllose Glasmalereien dem Bedürfnis nach mehr Helligkeit zum Opfer fielen, ist in Chartres der hochbedeutende plastische Schmuck der Kathedrale nahezu unversehrt erhalten, ebenso nahezu sämtliche 176 Fenster. Daher kann keine andere Kathedrale die Atmosphäre der Hochgotik so intensiv und unverfälscht vermitteln.

 

Für die Kathedrale wurde eine neue Glasfarbe entwickelt: Das Chartres-Blau, das für seine Reinheit bekannt ist. Es befindet sich in den Fenstern, das Geheimnis der Herstellung dieser Farbe ist von den Glasmachern mit ins Grab genommen worden. Die Färbung des Glases beruht nach neueren Untersuchungen auf Kobalt, das aus dem sächsischen Erzgebirge stammt. Es gibt zwar auch in zahlreichen anderen Kirchen mit Kobaltblau gefärbte Glasfenster, die Technik an sich war also kein Geheimnis, jedoch bleibt die einzigartige Färbung der Fenster der Kathedrale von Chartres unerreicht.

 

Eine weitere Besonderheit der Kathedrale: das Labyrinth. Es wurde Anfang des 13. Jahrhunderts aus schwarzen und grauen Steinplatten gefertigt und in den Fußboden eingearbeitet. Es misst über 12 Meter im Durchmesser und ist ein 261,50 m langer Weg, der sich durch 11 konzentrische Kreise sowie 34 Kehren zum Zentrum windet. Die Anzahl der Steinplatten, die den Weg bilden, wird nach offizieller Darstellung der örtlichen Bauhütte mit 273 angegeben. In der Mitte des Labyrinths befand sich, wie aus einer Beschreibung von 1640 bekannt, eine Darstellung des Kampfes von Theseus und Minotauros.

Meist ist das Labyrinth verdeckt, da das Kirchenschiff der Kathedrale bestuhlt ist und dieses überdeckt. Am Johannistag, dem 24. Juni, werden die Stühle stets entfernt, um das Labyrinth begehbar zu machen. Manchmal wird das Labyrinth auch während der Sommermonate ohne Stühle zugänglich gemacht.