Tomatin

Bild von Michael Althoff

Michael Althoff

Autor: Der Mann hinter dem Bericht

Whisky aus den Highlands mit Herz und Geschichte

Wer von Inverness Richtung Süden fährt, passiert weite Heideflächen, sanfte Hügel und Wälder, die sich endlos über die Highlands ziehen. Rund 25 Kilometer von der Hauptstadt der Highlands entfernt, liegt inmitten dieser Landschaft die Tomatin Distillery – eine Brennerei, die nicht nur wegen ihrer Whiskys, sondern auch wegen ihrer besonderen Geschichte einen Platz in der schottischen Whisky-Landschaft einnimmt. Gegründet wurde Tomatin im Jahr 1897, am Rande des gleichnamigen Dorfes, dessen Name aus dem Gälischen stammt und „Hügel des Wacholderbusches“ bedeutet. Schon der Standort verrät, was die Brennerei prägt: eine abgelegene Lage in den Highlands, in unmittelbarer Nähe zu reinen Wasserquellen und umgeben von Gerstenfeldern. Damit bot die Region ideale Voraussetzungen für die Whiskyproduktion.

Nach einer wechselvollen Anfangszeit erlebte Tomatin im 20. Jahrhundert einen beispiellosen Aufschwung. In den 1970er-Jahren war die Brennerei die größte in ganz Schottland, ausgestattet mit 23 Brennblasen und einer Produktionskapazität von rund 12 Millionen Litern Rohalkohol pro Jahr. Ein Großteil davon floss damals in Blends, die weltweit Absatz fanden. Doch mit dem Rückgang der Blend-Nachfrage kam auch die Krise: In den 1980er-Jahren stand Tomatin am Rande des Ruins. 1986 übernahm schließlich ein japanisches Konsortium die Brennerei – als erste schottische Destillerie überhaupt unter japanischer Führung. Dieser Schritt erwies sich als Glücksfall. Die neuen Besitzer investierten in Qualität und Markenaufbau, reduzierten die Kapazitäten und konzentrierten sich zunehmend auf Single Malts. So gelang der Wandel von einer reinen Lieferantin für Blends zu einer Brennerei mit eigener Identität und wachsendem internationalen Ansehen.

Heute produziert Tomatin rund zwei Millionen Liter pro Jahr – und setzt dabei bewusst auf eine Balance aus Tradition und Innovation. Charakteristisch für die Whiskys ist ihre milde, fruchtige und zugleich cremige Art, die man in dieser Form nicht in allen Highland-Destillerien findet. Typisch sind Noten von Honig, reifen Äpfeln, Birnen, Vanille und sanften Gewürzen, ergänzt durch die feine Süße der Eichenfässer. Zum Kernsortiment gehören:

  • Tomatin Legacy: ein zugänglicher Single Malt, gereift in Bourbon- und Virgin-Oak-Fässern, mit Noten von Vanille, Zitrus und leichtem Honig.
  • Tomatin 12 Jahre: gereift in Bourbon- und Sherryfässern, fruchtig, weich und harmonisch – ein Klassiker, der die Handschrift der Destillerie trägt.
  • Tomatin 18 Jahre: komplexer, mit tieferen Sherry-Noten, dunkler Schokolade und reifen Früchten.
  • Tomatin Cask Strength: kräftig und intensiv, für Kenner, die den vollen Einfluss der Fässer spüren möchten.

Darüber hinaus hat sich Tomatin mit Sonderabfüllungen einen Namen gemacht – von limitierten Fassstärken bis hin zu alten Jahrgangsabfüllungen, die bei Sammlern begehrt sind. Ein besonderes Projekt war zudem die „Cu Bocan“-Serie: leicht rauchige Whiskys, benannt nach einer lokalen Legende über einen geisterhaften Hund, der in den Highlands umging.

Auch Besucher sind bei Tomatin willkommen. Die Brennerei bietet verschiedene Touren an, von klassischen Führungen bis zu Verkostungen seltener Abfüllungen. Dabei wird deutlich, dass Tomatin trotz seiner Größe den familiären Charakter bewahrt hat: Das Dorf und die Brennerei sind eng verbunden, viele Mitarbeiter stammen aus Familien, die seit Generationen dort arbeiten. Dieses Gemeinschaftsgefühl unterscheidet Tomatin von manch anderer großen Destillerie.